Startseite

Agrarlandschaft Oberfranken - Zeitgemäße Lösungen für die "Lebensgemeinschaft Rebhuhn"

Ackerwildkräuter

Ackerwildkräuter sind Wildpflanzen (sowohl Kräuter als auch Gräser), die neben den vom Landwirt ausgesäten Kulturpflanzen auf Äckern und in Weinbergen gedeihen. Man nennt sich auch Segetal-Arten, also "zur Saat gehörige Arten". Sie sind in ihrer Lebensweise und ihren Standortansprüchen i.d.R. so eng an die Bearbeitung des Ackers und an die angebauten Feldfrüchte angepasst, dass sie nur gemeinsam mit ihnen vorkommen. Heute sind Korn- und Mohnblumen in Getreidefeldern meist nur noch vereinzelt zu finden, nur wenigen sind sie noch als alltäglicher und flächendeckender Anblick in Erinnerung - Getreidefelder waren bis vor einigen Jahrzehnten bunt! Obwohl derzeit knapp die Hälfte der Fläche Deutschlands landwirtschaftlich als Ackerland genutzt wird, sind auch nach 70 Jahren Ackerwildkrautschutz zwei Drittel der heimischen Segetal-Arten in Bayern gefährdet oder bereits ausgestorben (Quelle: (www.bund-naturschutz.de). Viele heimische Wildinsekten, Vögel und andere Tierarten sind jedoch direkt oder indirekt besonders an sie als Nahrungsgrundlage (Pollen, Samen, Nektar, Grünmasse, Blüten, Wurzeln) gebunden, beispielsweise die Mohnbiene an die Mohnblume.

  1. Haftdolden-Adonisröschen-Gesellschaft
  2. Sommer-Adonisröschen
  3. Spießblättriges Tännelkraut
  4. Mohn- Kornblume und Co

Nacht- oder Ackerlichtnelke (Silene noctiflora), RL Bayern: Vorwarnliste - Verbandscharakterart der Nachtlichtnelken-Gesellschaft

Haftdolden-Adonisröschen-Gesellschaft

Aufgrund der standörtlichen Heterogenität im Untersuchungsgebiet waren wir anfangs nicht sicher, welche Ackerwildkrautgesellschaften sich ausbilden würden. Die skelettreichen Muschelkalkäcker auf den langen Bergen im nördlichen Coburger Landkreis wären eigentlich prädestiniert für die Adonisröschen-Gesellschaft (Caucalido-Scandicetum). Die kennzeichnende Art, das Sommer-Adonisröschen, war aktuell allerdings auf den Untersuchungsflächen nicht nachweisbar, wie auch andere typische Charakterarten. Die Bestände auf den Muschelkalkäckern sind viel eher der Nachtlichtnelken-Gesellschaft zuzuordnen (Euphorbia-Melandrietum). Hier muss abgewogen werden: Mit Blühstreifen für Feldvogel und Co. einsäen oder sich selbst begrünen und die "Spontanflora" aufwachsen lassen? Wir entscheiden uns hier für den Kompromiss, da im letzteren Falle leider auch oft "Problemarten" mit aufwachsen und die Wildkräuter stark dominieren können, wodurch Landwirte dann ganz Abstand von Schutzmaßnahmen nehmen könnten. In den lichten Blühstreifen haben die Wildkräuter Gelegenheit, sich mit zu etablieren, da der Aufwuchs lückig ist und Pflanzenschutz und Düngung unterbleiben. Trotzdem mussten wir feststellen, dass auf ackerbaulichen Gunststandorten auch in unseren Blühstreifen nur noch Reste der ehemaligen Ackerwildkrautgesellschaften zu finden sind. Wir bemühen uns daher, flächengenau die beste Lösung zu finden und auch im größeren Maßstab Verbesserungen herbeizuführen

Die namengebende, einjährige, 15 - 50 cm groß werdende Nacht- oder Acker-Lichtnelke (Silene noctiflora) ist Verbandscharakterart und wurde bei der Ackerwildkrautkartierung 2019 auf einer Blühfläche bei Lettenreuth mit mehr als 250 Exemplaren gefunden. Ihre Bestäubung erfolgt über Insekten, weitgehend durch Nachtfalter, da sich ihre Blüten erst gegen Abend öffnen. Nach der Blüte von Juni bis September entstehen Kapselfrüchte, aus denen sie sich selbst oder durch Wind aussamt.

Schutzstatus
- RL Deutschland 3 (gefährdet)
- RL BY V (Vorwarnstufe)
- RL OF

nach oben ⇑
Sommer-Adonisröschen (Adonis aestivalis), RL Oberfranken und Bayern: gefährdet, RL Deutschland: stark gefährdet - Verbandscharakterart der Haftdolden-Adonisröschen-Gesellschaft, Foto: Susanne Bosecker

Sommer-Adonisröschen

Die Verbandscharakterart der Haftdolden-Adonisröschen-Gesellschaft ist heute, wie viele ehemals in Mitteleuropa weitverbreitete Ackerwildkrautarten, beispielsweise auch der Acker-Rittersporn, zu einer echten floristischen Seltenheit geworden. Auf einer Rebhuhnblühfläche haben wir diese Rarität im ersten Einsaatjahr 2020 jedoch mit einigen Exemplaren in der Gemarkung Meeder entdecken können! Aber Achtung: als Giftpflanze kann die Apotheker- und Heilpflanze u.a. Rötungen, Juckreiz oder Blasenbildung auf der Haut hervorrufen.

Merkmale
Die auffallenden, meist orangeroten, seltener gelben, ca. 1,5 bis 3,5 cm großen Blüten erinnern stets an Adonis. Typisch ist ein dunkler bis schwarzer Fleck an der Blütenbasis. Seine kahlen Kelchblätter haben mindestens zwei Drittel der Länge der Kronenblätter. Mit einer Wuchshöhe von 20-50 (100) cm blüht es von Mai bis Juli am Ende der Stängel. Durch seine mehrfach fiederteiligen Blätter kann es Trockenheit gut vertragen.

Lebensraum/Lebensweise
Dieses einjährige, kalkliebende Hahnenfußgewächs ist heute nur noch einzeln und sehr unbeständig vorwiegend an Ackerrändern in subkontinentalen bis kontinentalen Lagen in Mittel- und Südeuropa zu finden. In Gebieten mit Kalkgestein wie beispielsweise den Bruchschollenkuppen der Langen Berge im nördlichen Coburger Landkreis kommt die einheimische Art noch zerstreut vor. Der sonnenliebende Trockenheitszeiger gedeiht am besten auf nährstoffarmen, kalkhaltigen, flachgründigen, sommerwarmen, meist trockenen und steinigen Lehm-, Löss- oder Tonböden.

Vermehrung
Der sommergrüne Therophyt vermehrt sich durch Selbstbestäubung und bildet als Sammelnussfrucht 30-40 dichtstehende Nüsschen.

Gefährdung
Problematisch ist insbesondere die Intensivierung der Bodenbearbeitung, die Herbizidanwendung in der Landwirtschaft, die damit einhergehende Nährstoffanreicherung im Boden und der dichte, schattenspendende Bestand der Kulturarten. In Folge werden nährstoffarme und sonnige Standorte v.a. im Ackerinneren immer seltener.

Schutzstatus
- RL Oberfranken - 3 (gefährdet)
- RL Bayern - 3 (gefährdet)
- RL Deutschland - 2 (stark gefährdet)

Unterscheidung Flammen-Adonisröschen (Adonis flammea)
Das leicht zu verwechselnde Flammen-Adonisröschen ist noch seltener als das Sommer-Adonisröschen und sowohl in Oberfranken, als auch in Bayern und Deutschland bereits vom Aussterben bedroht. Es bevorzugt nährstoffärmere, trockenwarme Kalkstein- und Kalklehmböden in subkontinentalen Lagen. Seine Blüten sind blutrot, selten gelb, gelegentlich mit dunklem Fleck, wobei die behaarten Kelchblätter höchstens halb so lang sind wie die Kronenblätter.

nach oben ⇑
klein

Spießblättriges Tännelkraut

Im Zuge unserer Basis-Ackerwildkrautkartierung 2019 gab es einen "Floristisch interessanten Erstnachweis des Spießblättrigen Tännelkrauts (Kickxia elatine) mit mehr als 120 Exemplaren auf einer unserer Pilotflächen bei Lettenreuth, LK Lichtenfels." (ALO Ackerwildkrautbericht, Dr. Stefan Meyer, 2019).

Dieses auf Kalkacker vorkommende Pflänzchen ist zwar etwas unscheinbar, hat aber in zwei Pflanzengesellschaften eine besondere Bedeutung. So ist es beispielsweise Verbandscharakterart für die Haftdolden-Gesellschaft (Caucalidion platicarpi). Es ist vermutlich - wie die meisten Ackerwildkräuter - mit dem Ackerbau eingewandert und gehört zur Familie der Wegerichgewächse.

Merkmale
Unauffällige, 3-10 cm große, einjährige, krautige Pflanze, mit zunächst aufrechtstehendem, später am Boden liegenden 20-40 cm langen Haupttrieb. Basis mit mehreren, flach am Boden kriechenden Seitentrieben. Blätter überwiegend pfeil- bzw. spießförmig.

Kaum wahrnehmbare 8-10 mm kleine, zweilippige Blüten, die an winzige Löwenmäulchen erinnern, mit einem langen, meist geraden nektargefüllten Sporn (ca. halbe Blütenlänge). Die Unterlippe ist dreigeteilt, die Oberlippe zweigeteilt. Blütenfarbe im Wesentlichen gelb, manchmal weißlich; Innenseite der Oberlippe dunkelviolett. Blütenstiele sehr dünn und meist kahl. Kugelige Porenkapseln als Früchte. Blütezeit vorwiegend Juli - September.

Lebensraum/Lebensweise
Primärlebensraum in Mitteleuropa sind Ackerunkrautfluren auf basenreichen Kalkverwitterungsböden und basenreichen Lehm- und Tonböden. Die lichtbedürftige, kalktolerierende Pflanze gedeiht in montanen bis kollinen Lagen, bevorzugt eine hohe Luftfeuchtigkeit und geringe Temperaturschwankungen in mäßigen Sommern, eher an trockenen und nährstoffarmen Standorten.

Vermehrung
Bestäubung hauptsächlich durch Bienen, z.T. Selbstbestäubung möglich. Aussamung aus Porenkapseln im Spätsommer.

Gefährdung
Problematisch ist insbesondere die Intensivierung der Landwirtschaft und ihr später Blühzeitraum erst ab Juli, die einen starken Rückgang bewirkt haben. Sie blüht in Stoppelfeldern also erst nach der Ernte. Da die Stoppelfelder durch die zunehmende Trockenheit meist schon kurz nach der Ernte umgebrochen werden, um die Böden vor Austrocknung zu schützen, kommt sie häufig nicht mehr zur Fruchtbildung und das Samenpotential im Boden wird immer kleiner.

Schutzstatus
RL Oberfranken - 2 (stark gefährdet)
RL Bayern - 2 (stark gefährdet)
RL Deutschland - 3 (gefährdet)

nach oben ⇑
Unsere Herbst-Wildsaaten-Mischung mit rotem Klatschmohn, blauen Kornblumen, gelber Färberkamille u.v.m. bringt wieder bunte Vielfalt in die Fluren und lässt Ackerwildkräutern wie weißer Kamille und lilablauem Acker-Rittersporn u.a. Raum 
Foto: Susanne Bosecker

Mohn, Kornblume und Co.

Kornblume, Klatschmohn und Kamille waren über viele Jahrtausende bunte Begleiter der Nahrungsmittelerzeugung auf den Äckern.

Durch die Intensivierung des Ackerbaus infolge zunehmenden wirtschaftlichen Drucks in den vergangenen Jahrzehnten wurden Ackerstandorte vereinheitlicht, Saatgut von "Unkrautsamen" gereinigt und das Samenpotential der Segetalarten infolgedessen im Boden ausgedünnt. Nährstoffarme Felder wurden aufgedüngt und Äcker effizient durch Herbizide von "Unkräutern" gesäubert. Die Feldstücke wurden im gleichen Zug vergrößert, der Sommerbau ist stark zurückgegangen, vielfältige Fruchtfolgen fast verschwunden. Säume und Wiesenwege werden mehrmals und frühzeitig gemulcht. Randstrukturen wie blütenreiche Feldraine, Hecken mit Krautsäumen, Wiesenfeldwege, vielfältige Fruchtfolgen sind kaum noch zu finden.

Die Folgen sind besonders auf die überwiegend einjährigen Ackerwildkrautarten, wie z.B. das Spießblättrige Tännelkraut oder das Sommer-Adonisröschen, gravierend. Diese können sich nur entwickeln, wenn die Felder jährlich bearbeitet und neu bestellt werden, da sie nur so ihren jährlichen Vegetationszyklus durchlaufen können. Winterannuelle Arten, wie beispielsweise Acker-Rittersporn oder Acker-Steinsame, können sich nur in Sommergetreiden, die bereits im Herbst gesät werden, entwickeln.

So sind vielfältige Lebensräume, mit ihnen Standortbedingungen und folgerichtig die Vielfalt der Ackerwildkräuter selbst heute signifikant zurückgegangen (Dr. Stefan Meyer, Georg-August-Universität Göttingen, Schutzäcker).

Für den Fortbestand der Segetalarten bietet der Ökolandbau noch die besten Chancen, da er ihren Ansprüchen durch vermehrten Sommeranbau, vielfältigere Fruchtfolgen und Verzicht auf synthetische Düngemittel und Pestizide am besten entgegenkommt. Oftmals wird auf produktionstechnisch schlechteren Standorten gewirtschaftet, was aber bis zu fünffach höhere Artenzahlen bewirken kann. Mechanische Unkrautbekämpfung wie Striegeln hat zwar einen Einfluss, ist aber aus landwirtschaftlicher Sicht notwendig (Dr. Stefan Meyer, Georg-August-Universität Göttingen, Schutzäcker).

Dabei sind Ackerwildkräuter nicht nur Zeugen unserer Kulturlandschaftsentwicklung und Nahrungsgrundlage für viele Tierarten. Vielmehr spielen sie auch eine wichtige Rolle bei der Sicherung der Bestäuberleistung und dem Ressourcenschutz (z.B. des Grundwassers), ebenso wie auch bei der Erosionsminderung und der Stickstofffixierung.

nach oben ⇑